Manche Dinge brauchen auch in der IT einfach etwas länger. Es ist schon mehr als zwanzig Jahre her, als Marc Andreessen mit dem Startup Netscape den schon damals Giganten Microsoft herausforderte und rückblickend die richtige Vision vor Augen hatte. Netscape gab es in Wirklichkeit nur vier Jahre, dann verloren sie den “Browserkrieg”. Aber die Idee gab es dafür durchgängig. Zu Anfang nicht unbedingt von Microsoft aber in Redmond braucht man immer etwas länger das Internet und dessen Entwicklungen richtig einzuschätzen.
Ein kleiner Exkurs in die Vergangenheit führt zu den Anfängen des damals modernen Web zurück. Durch Ermangelung an Bandbreite und Multimediafähigkeiten der normalen Desktops und was als PC angesehen wurde, sah das damals moderne Web noch völlig anders aus. Ein solcher Blick in die IT Vergangenheit hat schon mehr mit Geologie statt mit Historie zu tun – also beinahe. Aber schon damals im Jahre 1994 sahen die Gründer von Netscape das Potential des Webs in Verbindung mit einem dazu passenden Browser. Ob die Vision von Netscape ohne den Browserkrieg mit Microsoft und deren IE hätte Wirklichkeit werden können lässt sich nicht sagen. Netscape war ein Startup wie viele oder man muss schon sagen unzählige zu Beginn des Dot-Com Zeitalters mit dem Aufkommen des Internets für die Masse. Microsoft hatte zu der Zeit noch unter der Führung von Bill Gates das Web völlig falsch eingeschätzt und wollte dem Internet keine Beachtung beimessen. Das mag auch der Historie geschuldet sein, aus der Microsoft kam. Der große Erfolg von Microsoft beruhte seinerzeit darauf, dass die Ressourcen eines Computers und die Applikationen aus dem Rechenzentrum und des Mainframes auf den Desktop übergingen. Microsoft bot seinen Kunden Betriebssystem und Anwendungen auf PC Hardware. Das ging Hand in Hand mit Intel und deren x86 Architektur. Damit stand ausreichend Leistung zur Verfügung Applikationen auf dem Arbeitsplatz zu betrieben und die Betriebssysteme inspiriert durch Apple’s GUI wurden immer benutzerfreundlicher. Microsoft machte so zu sagen das Rennen. Selbst IBM maß dem IBM-PC und den IBM-kompatiblen keine Bedeutung zu, die PC Abteilung wurde selbst intern bei IBM belächelt. Daher hat sich OS/2, was Microsoft Windows um Äonen voraus war, nie durchgesetzt. Schade, denn es war weitaus besser als Windows mit DOS Unterbau.
Um den Bogen noch etwas weiter zu spannen ist ein Blick auf die Entwicklung in der IT und der Ressourcenverteilung zwischen Rechenzentrum und Client nicht uninteressant. Wie sah die IT zu Beginn im Zeitalter von MicroVAX’en & Co. aus? Zentrale Server in Form damaliger Mainframes und dumme Terminals ohne X. Dann gab es eine kleine Revolution durch x86’er CPU’s und Microsoft die das Ende der Mainframes als Wunschdenken hatte und sie in vielen Fällen ablösen konnten. Aber schnell kamen auch wieder Terminal Server auf, die dann wiederum die Ressourcen statt auf den Clients vorhielten. Produktive Umgebungen auf Windows NT 4 Basis gab es zu der Zeit doch wieder viele und es wurden über die Jahre immer mehr. Citrix gab es irgendwie schon immer und seit ein paar Jahren auch RemoteApp, dies sind völlig normale Dienste in der Welt von Microsoft. Seit dem Microsoft seine Azure Cloud 2008 vorstellte und gut zwei Jahre später schon mit ein paar Services aufwarten konnte, ist die Azure Cloud heute einer der Großen, neben Amazon AWS/S3 und Googles Cloud Plattform. Um es mit wenigen Sätzen zu beschrieben, führte der Weg erst raus aus den Rechenzentren auf den Schreibtisch und dann wieder in Form von Terminal Servern in das Rechenzentrum zurück zu gehen und seit ein paar Jahren geht es massiv in die Cloud. Welche ja nur eine Form von Rechenzentren sind, eben nur größer und global verteilt. Auf der Clientseite ist es quasi wieder ein halb-dummes Terminal in Form eines Browsers. Auch ist die vorherrschende Prozessorarchitektur nicht unbedingt x86 von Intel, ARM CPUs in den vielen mobilen Geräten stellen auch einen großen Anteil der Clients die Cloud-Dienste nutzen.
Wenn man sich heute ansieht, was Webapplikationen in der Lage sind zu leisten, dann stimmt rückblickend die Aussage von damals, dass der Browser das neue Betriebssystem sei. Es hat nur eine ganze Weile gebraucht und es musste erst mal Flash und Java aufkommen und dann hinter sich gelassen werden, bevor HTML 5 & Co, die Basis der modernen Webapplikationen stellen konnte. Unabhängig der ganzen nicht-technischen Probleme die eine US Cloud für europäische oder deutsche Firmen mit sich bringt, will der Artikel nur die Möglichkeiten aufzeigen, was schon alles machbar ist und eine andere Perspektive und Ansätze aufzeigen.
Vorgemacht hat es Google mit all ihren online zur Verfügung stehenden Diensten. Vor allem zeigt Google was möglich ist, in Sachen Design, Funktion und Benutzbarkeit von Anwendungen die nur im Browser laufen. Aktuelle Online-Applikationen stehen den lokal installieren Varianten in nichts nach. Oft bieten die Online-Versionen sogar einen besseren Funktionsumfang. Microsoft hat hier mit riesen Schritten aufgeschlossen und mit Office 365 ein Produkt geschaffen, welches lang-, wenn nicht sogar schon mittelfristig das normal lokale Office ablösen wird. Diese Entwicklung ist aber gar nicht so neu wie man vielleicht meint. Schon seit Jahren ist das lokale Office auch nur ein hübscher Rahmen mit einem Backend bei dem der IE zur Anzeige für den Anwender benutzt wird. Dies gilt auch genau so für Outlook. Hier ist es auch der IE bzw. dessen DLL’s, der dem Anwender seine Mails anzeigt. Microsoft musste aber auch was tun, denn Google hat Microsoft in ihrem Kerngeschäft, den Office Anwendungen, Bestandskunden weggenommen. Die Stadt Los Angeles und andere Gemeinden in Kalifornien waren die ersten, die zu Google Apps gewechselt haben und nutzen kein Microsoft Office mehr. Google stellt den Verwaltungen alles per Browser zur Verfügung und kümmert sich um den kompletten Betrieb. Die “Klatsche” die sich Microsoft dort geholt hat, war wohl nicht zuletzt auch ein Grund, warum die Azure Cloud und Office 365 so massiv vorangetrieben werden.
Microsoft und Google sind nur zwei Firmen die hier als Beispiel dienen. Es ließen sich noch ein paar mehr aufzählen, wie zum Beispiel Adobe, Apple, Yahoo usw. Der Weg in die Cloud wird immer breiter und alles auf ihm nimmt an Fahrt auf. Es hat auch keinen Sinn sich dem zu widersetzen, Technologie, Fortschritt und Entwicklungen lassen sich nicht aufhalten. Aber warum auch sollte man sich dem widersetzen, wenn man es doch mitgestalten kann? Die Frage ist ja nicht, wie schaffe ich es mich der Entwicklung am längsten fern zu halten. Die Frage muss ja viel mehr sein, wie schaffe ich es den Weg in “meine” Cloud zu finden und meine Vorteile aus ihr zu ziehen. Es gibt ja nicht nur “die” Cloud die alle nutzen. Vielmehr steht die Cloud ja dafür, dass man Dienste und seinen Anwendern auf eine neue, einfache, flexiblere und hochverfügbare Art zur Verfügung stellt. Die Grenzen was Cloud ist und was nicht mehr Cloud ist sind fließend und sehr dynamisch. Aber genau an diesem Punkt ergeben sich die Vorteile. Es fängt bei ganz kleinen Dingen schon an. Verteiltes Arbeiten, mehrere Standorte, Home Office und Außendienst Mitarbeiter. Die Arbeitswelt ist auch in Deutschland sowie im Rest von Europa im Wandel. Starre Zeiten und feste Lokationen sind in vielen Berufen keine zwingende Vorgabe mehr. Der Wunsch Beruf und Familie besser zusammenführen zu können wird immer stärker und die IT kann dabei helfen dies umzusetzen. Zu den kleinen Dingen gehört vor allem ein anderes Denken in der IT zuzulassen. Neuen Dingen gegenüber offen zu sein und nicht an dem was immer schon gemacht wurde festzuhalten. Der Webapplikation gehört die Zukunft. Hier spielt es auch keine Rolle ob sie in eine App verpackt ist oder im Browser läuft. Ein nicht ganz unerheblicher Punkt sind dabei auch die Vorteile für die IT Abteilungen und nicht zuletzt für die Unternehmen. Das lästige installieren und pflegen von Anwendungen auf dem Arbeitsplatz PC entfällt. Konzepte wie BYOD werden einfacher umsetzbar sein. Es müssen in die Clients weniger Ressourcen investiert werden. Was nicht zuletzt auch Kosten in der IT und somit im Unternehmen reduziert.
Es lohnt sich die Zeit zu nehmen und über neue Wege nachzudenken. Wir freuen uns auf interessante Diskussionen Rund um die neuen Applikationen und den damit verbundenen Herausforderungen an die moderne IT.